Brief an Claudia Plakolm_Banner

Sehr geehrte Frau Abgeordnete!

In Ihrer Presseaussendung vom 19.11.2020 (OTS0207) stellen Sie scharfsinnig fest, der Generationenvertrag sei keine Einbahnstraße. Ich weiß nicht, wie Sie als Jungpolitikerin den Generationenvertrag, der sich schon über viele Jahrzehnte bewährt, interpretieren und welche Kenntnisse Sie darüber haben. Jedenfalls hege ich den dringenden Verdacht, dass Sie die von Ihnen zitierte Einbahnstraße in der Gegenrichtung befahren, sozusagen als politische Geisterfahrerin mit erheblichem Gefahrenpotential unterwegs sind.

Dazu gibt es Fakten, die für Ihre Navigation im Sinne politischer Verkehrssicherheit von eminenter Bedeutung sind:

ArbeitnehmerInnen zahlen sich ihre Pension fast zur Gänze über ihre eigenen Beiträge selbst. Nur 12,3 Prozent muss der Bund zuschießen. Vor einigen Jahren lag der Bundeszuschuss noch bei 13,1 Prozent. Damit wird der Generationenvertrag mit steigender Tendenz übererfüllt. Trotzdem hat die Regierung mit Ihrem persönlichen Zutun im Nationalrat den ArbeitnehmerInnen mit der Abschaffung der Abschlagsfreiheit bei der Langzeitversichertenregelung („Hacklerpension“) Pensionskürzungen beschert. Wenn Sie die Langzeitversicherung als Frühpension bezeichnen, tun Sie sich offensichtlich auch mit den fachlichen Begriffen im Pensionsrecht schwer.

Die Politik der Pensionskürzungen wird das faktische Pensionsantrittsalter nicht erhöhen, auch hier liegen Sie gehörig daneben. Es sind vielmehr greifbare Maßnahmen zur Gestaltung einer alternsgerechten Arbeitswelt die das Leistungsvermögen in späteren Berufsjahren entsprechend berücksichtigen. Dazu zählt der Ausbau des ArbeitnehmerInnenschutzes, nicht dessen Demontage. Zum Verständnis dafür sind allerdings längere persönliche praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt von Vorteil wenn nicht Voraussetzung.

Mit einem demokratiepolitisch unfeinen Akt, einem kurzfristig eingebrachten parlamentarischen Abänderungsantrag,  haben Sie auch daran mitgewirkt, dass allen künftigen PensionistenInnen die Pensionsbezüge gekürzt werden. Kürzungen, die sie ein Leben lang nicht mehr aufholen.

Sie fordern auch die Abschaffung der Sonderpensionsprivilegien, eine Forderung an der Sie  bei der Pensionsanpassung für 2021 vor wenigen Tagen an Ihrem eigenen politischen Willen grandios gescheitert sind.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, können  Sie schlüssig erklären, warum 2021 Pensionen über 2.333 Euro unter der Inflationsrate, aber Luxuspensionen von 10.000 Euro und mehr die Inflationsrate abgegolten bekommen? Das nicht zu beschließen hätten die Regierungsparteien in der Hand gehabt – wollten es aber nicht. Anstatt dessen polemisieren Sie über Pensionsprivilegien und zeigen mit dem Finger auf die Wiener Gemeindebediensteten.

Noch Systemrelevantes:

Sorgen müssten Sie sich vielmehr um den Eigenfinanzierungsgrad der Pensionen bei LandwirtenInnen mit über 84 Prozent Bundeszuschuss und bei Selbstständigen mit 36 Prozent Bundeszuschuss machen. Zuschusstendenz stetig steigend. Aber gerade bei den Landwirten sind Sie politisch wieder gegen die Einbahn gefahren: Rückwirkend mit 1.1.2020 haben Sie mit Ihrem Zutun als Abgeordnete zum Nationalrat deren Pensionen um 450,- Euro nachhaltig erhöht. Ich hege deshalb weder Neid noch Missgunst. Aber der Vergleich mit den als Heilsbringer für Frauen propagierten „Frühstarterbonus“ spricht Bände: 1 Euro pro Arbeitsmonat zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr, maximal 60 Euro brutto; Voraussetzung dafür sind 12 Arbeitsmonate vor dem 20. Lebensjahr und insgesamt 25 Arbeitsjahre der Erwerbstätigkeit.

Beste Grüße,
Franz POIMER

(Pensionist nach nahezu 47 Arbeitsjahren)

Presseaussendung vom 19.11.2020 (OTS0207)

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